Praktikumsbericht Sozialpraktikum

Krieg und Frieden – oder: Praktikumsbericht „Kindertagesstätte“

Der erste Tag (und eigentlich auch die meisten anderen Tage) in der Kindertagesstätte „Villa Kunterbunt“ stand unter einem Motto: Fußball. Wie könnte es auch anders sein, wenn das Praktikum zur Zeit der Europameisterschaft stattfindet und man es mit Kindern zu tun hat, die überwiegend, wenn sie denn eine „Meinung“ zu dem Sport haben, die Lieblingsmannschaften ihrer Väter vertreten. Wenn man dann das Pech hat, einen niederländischen Vater zu haben, der natürlich zu seinem Land hält, muss man eben damit leben, sich den absolut niedlichen, natürlich aufs Ernsteste reflektierten „Anfeindungen“ der Freunde ausgesetzt zu sehen. Ach ja, die stolzen Väter.

Nun, man mag generell von Fußball halten was man will, eine gewisse gemeinschaftsfördernde Stimmung aufgrund sommerlicher Europa- oder Weltmeisterschaften, der man sich nicht unbedingt entziehen will, kann ich nicht leugnen. In diesem Jahr aber hatte ich der EM vor allem eines zu verdanken: Großartige, abwechslungsreiche Beschäftigung an meinem ersten Praktikumstag – nämlich Deutschlandfahnen auf etliche zarte Kinderwangen malen. Die Mäusegruppe, die in den zwei Wochen so etwas wie mein Zuhause war, hat an diesem Tag des Spiels Deutschland gegen Niederlande (zur Erinnerung, es ging 2:1 aus) mächtig Zuwachs erhalten, zumindest für die Zeit, in der das Körbchen mit der Schminke auf dem kleinen Tischchen stand und solange mein Arm mitgemacht hat. Denn wenn Melanie so eine unglaublich coole Fahne auf der Wange hat, dann wollen auch Nele und Leonard eine haben, oder gleich zwei bis fünf (auf Stirn und Kinn und Nase ist ja schließlich noch genug Platz). Ich muss gestehen, dass es gut war, am ersten Tag, an dem man sich erst mal einfinden muss und erste Kontakte zu den Kindern knüpft, etwas zu haben, was einen nicht dumm und stumm auf einem unbequemen, da kleinen Holzstuhl herum sitzen lässt und auch gleichzeitig den Kindern näher bringt und das Eis bricht.

Und wenn das Eis mal gebrochen ist, was im Umgang mit Kindern sowieso schneller geschieht als mit Erwachsenen, dann gibt es kein Halten mehr. Toben, spielen, albern und kuscheln. Und dann: Toben, spielen, albern und kuscheln. Das Problem dabei ist, dass man sich nicht aufteilen kann. Denn ähnlich wie beim Schminken läuft es praktisch überall. Wenn Silas und Ida dieses oder jenes haben, dann wollen Gianluca und Leni es auch haben. Und am besten alles auf einmal und sofort. Praktisch, dass man mit ganz vielen zusammen spielen, toben und albern kann. Und was das Kuscheln betrifft, hat man sich auch arrangiert.
Der Unterschied zwischen den Erzieherinnen und mir war ja der, dass sie ein gewisses Gleichgewicht zwischen Nähe und Distanz, Spielgefährte und erziehender Autorität halten müssen und ich da weniger an einen Auftrag gebunden war. Dementsprechend waren die Kinder auch weniger respektvoll im Umgang mit mir, was mir sehr entgegenkam, denn sonst hätte ich wahrscheinlich nicht mit ihnen Buden bauen, in der großen Nestschaukel (teilweise bis zur Übelkeit) schaukeln, Fußball und Fangen spielen, auf dem Trampolin springen und tanzen können. Es tat gut, nicht so schrecklich ernst genommen zu werden.

Und auch wenn es durchaus einträchtigen und friedlichen Umgang und hinreißende Freundschaften unter den Kindern gab, so ließ sich auch ein gewisses Maß an Streitsucht und Neid und Zickenkrieg in seinen schönsten Ausprägungen beobachten, das nicht selten zu Tränen und Geschrei führte. Einmal war es nur die Tatsache, dass der unliebsame Kamerad die Schaufel genommen hat, die man eine viertel Sekunde später zu dem unbedingt überlebenswichtigen Utensil fürs Tunnelgraben erkoren hat, ein anderes Mal wollte man einfach nur mal als Tonangeber einer kleinen vorübergehenden Gang dem Mädchen zeigen, dass es nun mal einfach nicht in die Gruppe passt und deswegen nicht mitspielen darf. So ist das Leben. Alles hat seine Gesetze.
Natürlich waren die ach so süßen Kinder nur die eine Seite der Medaille. Denn sobald die weg waren, mussten die Gruppen- und Schlafräume, der Frühstücksbereich und der von vom Spielen in Sand, Matsch und Wiese gezeichneten Gummistiefel und Matschklamotten auf sonderbare Weise nicht sauberer gewordene Flur, gründlich gefegt werden. Eine schweißtreibende, aber für mich auf komische Art und Weise nicht unangenehme Aufgabe.

Und der Grund für die Verschmutzung ist ja ein sehr akzeptabler und niedlicher. Wie sehr ich die Kinder in den zwei Wochen ins Herz geschlossen habe! Vor allem ein kleiner Junge und drei sogenannte „Wackelzähne“, also Kinder, die im Sommer eingeschult werden sollten, haben es mir angetan. Die Kids waren in einer anderen Gruppe und nutzten jede Möglichkeit, in die Mäusegruppe zu kommen. So dass mir nichts anderes übrig blieb, als mit ihnen im Nebenraum heftig zu toben und zu kämpfen, da diese kleine Terrorgruppe von Freunden ein besonders herzliches, freches und energiegeladenes Exemplar kindlicher Spielwut darstellten. Ich hatte nichts dagegen. Essen konnte ich dementsprechend sehr viel in der Zeit (vor allem von lustigen Kuchen, die die Mütter anlässlich der Geburtstage ihrer Leibesfrüchte gebacken und dem Kindergarten zur Verfügung gestellt hatten – ich denke da insbesondere an blaue Krümelmonster-Muffins), da ich genug Bewegung hatte.
Obwohl oder gerade weil wir uns gegenseitig ins Herz geschlossen hatten, wurden die Kids mit der Zeit auch wagemutiger und frecher. So dass ich in die Situation kam, auch Grenzen aufweisen zu müssen. Das war in den entsprechenden Momenten etwas, was ich am liebsten den Erzieherinnen überlassen hätte. Denn Liebe und Eintracht waren mir lieber, wobei mir klar ist, dass zur Gewährleistung dessen auch Ermahnungen notwendig sind.

Was die Erzieherinnen als Erwachsenenfraktion in dem beschützten Kokon, den der Kindergarten bedeutet, betrifft, so habe ich auch etwas gelernt: Dass eine Praktikantin durchaus willkommen ist, wenn es um die Aufgaben geht, die mir zugeteilt wurden. Fegen, die Küche aufräumen, den Nachmittagssnack herrichten (etliche Paprika und Gurken schnipseln, Bananen und Äpfel zubereiten etc.), waren Aufgaben, die gerne an mich abgegeben wurden. Gut, so sehr wundert mich das nicht, eher die Tatsache, dass es mir dafür umso mehr Spaß gemacht hat, Tag für Tag.
Eine Sache, zum Beispiel, ist in der Mäusegruppe zu meiner täglichen Aufgabe für die zwei Wochen geworden: Das Begleiten und Beaufsichtigen der Zahnputzaktion nach dem Mittagessen. Ein Kind musste ich immer aussuchen, das mir assistieren durfte, das heißt, nachdem ich die orangen Becher, mit Name und Symbol des Kindes versehen, von dem für die Kinder nicht erreichbaren Regalbrett geholt hatte, sollte es dann die Zahnpasta auf die Zahnbürsten verteilen. Warum die Kids so scharf darauf waren, das machen zu dürfen, verstehe ich nicht ganz. Daran, dass auch das Verteilen der Zahnpasta eine ernstzunehmende Aufgabe darstellt, kann es nicht liegen, denn eine Aufgabe, die sich die Kinder ebenso erwachsen und wichtig fühlen lassen kann, wäre das Aufräumen auch (auch so eine Sache, die die Erzieherinnen, einmal an mich abgetreten, dafür nutzen konnten, einen Kaffee zu trinken oder irgendwelche enorm umfangreichen und wichtigen Zetteleien wegen des Vater-Kind-Zeltens, des Sommerfestes oder des Mitarbeitergrillen zu erledigen (ein Hoch auf die deutsche Bürokratie!)).
Ein Eindruck bleibt auf jeden Fall: Aufgrund der kindgerechten Einrichtung habe ich in dieser Zeit meine Beine öfter in einem Spiegel gesehen als mein Gesicht. Umso schöner noch die kleinen Gesichter, die häufig auf Höhe meiner Hüfte ebenfalls in dem Spiegel zu erblicken waren.

Teresa Schwope